Pressestimmen 2015

Kammermusik ohne Stühle

Konzert – Katharina Schlenker und Ecatuor

Bereits in der vergangenen Saison hatte die in Münsingen gebürtige, mit Preisen und Stipendien ausgezeichnete junge Pianistin Katharina Schlenker gemeinsam mit einem Streicher-Ensemble, damals mit dem Amaryllis-Quartett, der Konzertreihe der Gesellschaft der Musikfreunde Münsingen (GdM) einen glanzvollen Höhepunkt verliehen. Nun setzte sie ihr Engagement für Münsingen und die GdM mit einem weiteren Highlight ihrer Reihe »Herbstliche Klavierquintette« gemeinsam mit dem Ensemble Ecatuor fort.

Die jungen Instrumentalisten Tilmann Hussla, erste Violine, Meike Lu Schneider, zweite Violine, Kundri Lu Schäfer, Viola, und Martin Knörzer, Violoncello, ausgebildet beim weltberühmten Artemis-Quartett, haben ein wichtiges Ziel: Menschen jeden Alters und jeder Gesellschaftsschicht für klassische Musik zu begeistern. Dazu wählen sie nicht immer historische Aufführungsräume wie die Münsinger Zehntscheuer und ein etabliertes Publikum, vielmehr spielen sie auch in Bars, Clubs, ja selbst auf der Straße! Man konnte gespannt sein auf diesen Auftritt.

Ohne Notenständer

Und in der Tat, es ist außergewöhnlich: Die Bühne ist leer – Notenständer, Stühle fehlen, wenn man von einem kleinen Hocker für den Cellisten absieht.

Dann betreten sie die Bühne und beginnen unmittelbar Beethovens Streichquartett F-Dur, op. 18/1. Die Notenblätter erweisen sich tatsächlich als vollkommen überflüssig, denn hier wird nicht buchstabiert, vielmehr musiziert: flexibel, sensibel miteinander – und vor allen Dingen mit ganz selbstverständlicher feinsinniger Virtuosität.

Faszinierend, wie sich die Musiker die Bälle der einzelnen Phrasen zuspielen! Es ist nicht nur der Blickkontakt, den das Fehlen der Notenblätter, -ständer und Stühle fördert; es ist mehr: Ein grenzenloser Klangkörper fügt sich aus vier virtuosen Gleichgesinnten.

Mit Ravels Streichquartett F-Dur setzten sie dem Programm die Krone auf: nicht zeichnerisch, sondern malerisch empfunden, zaubern sie Klänge vom Einfühlsamsten, mit viel Temperament aufgeladen. Lyrische Momente münden unversehens in hochdramatische Ausbrüche. Gestochen scharf erklingt das Pizzicato des zweiten Satzes, »Vif et agité«, geballt temperamentvoll finden sie zum Finale.

Dvorák mit rhythmischer Kraft

Nach der Pause war der Höhepunkt des Abends zu erwarten, das gemeinsame Musizieren des Ensembles Ecatuor mit der Pianistin Katharina Schlenker. Antonín Dvoráks Klavierquintett A-Dur, op. 81 stand auf dem Programm. Ganz selbstverständlich integrierte sich die Pianistin ins Ensemble, indem sie sowohl Dvoráks Folklore-Anklängen als auch der Stilistik der Spät- und Hochromantik gerecht wurde. Mit Farbigkeit, auf opulenten Klang gebetteter Melodik und sicherer Linienführung verlieh sie dem Quintett ihr musikalisches Gesicht. So dominierte sie virtuos und einfühlsam den Mittelteil der »Dumka«, eines slawischen Tanzes, und führte das Ensemble weiter voll rhythmischer Kraft zum temperamentvollen »Furiant«, klangfroh an den ersten Satz erinnernd.

Das Publikum war begeistert und mitgerissen und spendete Beifall mit Bravo-Rufen. Die Zugabe des Ensembles erinnerte eher an dessen Bar- oder Straßenmusik und wurde doch höchsten Ansprüchen gerecht. Der Beifall wollte nicht enden. (GEA)


Reutlinger General-Anzeiger | 20.10.2015

Technisch brilliant, virtuos leichtfüßig

Das Orbis-Quartett begeisterte, begleitet von Katharina Schlenker am Klavier, in der Zehntscheuer.
Foto: Simon Wagner

Orbis-Quartett glänzt in der Zehntscheuer

Ihre ersten, internationalen Meriten haben sie sich als Ecatuor verdient, seit September hört das Berliner Streichensemble auf den Namen Orbis-Quartett. Am Samstag spielten die Musiker in der Zehntscheuer.

Kurz nach der Gründung 2014 nahm sich das berühmte Artemis-Quartett der jungen Musiker an. Eine Zusammenarbeit, die für Tilmann Hussla, Meike Lu Schneider (beide Violine), Kundri Lu Schäger (Viola) und Martin Knörzer am Violoncello Folgen hatte. Vor einem Monat gewannen sie den ersten Preis in der Kategorie Streichquartett beim Internationalen Beethoven-Kammermusikwettbewerb.

Der neue Name des jungen Quartetts mag dazu beitragen, dass das Ensemble noch den Status des Geheimtipps inne hat. Wenn sie aber an dem festhalten, was sie am Samstagabend auf der Bühne der Münsinger Zehntscheuer zeigten, dann ist es ebenso wahrscheinlich, dass an ihrem Revers bald das Prädikat Shooting-Star prangt. Technische Brillanz, kompakte wie gestenreiche Tonalität oder pulsierende Leichtfüßigkeit sind nur ein paar wenige Attribute, die das Zeug haben, um das zu beschreiben, wovon sich rund 80 Zuhörer vom Fleck weg mitreißen ließen. Über dem gesamten Vortrag ausgebreitet lag insbesondere das Gespür für die Zeilen zwischen den Noten. Emotional nahbar gemacht, führte das bereits nach dem ersten Konzertdrittel zu langem Beifall und zu Bravo-Rufen.

Verstummt war da gerade Ludwig van Beethovens Streichquartett in c-Moll. Gespielt übrigens aus dem Gedächtnis, ganz ohne Noten. Statt also den Blicks aufs Notenblatt zu richten, galt er den Mitspielern. Das hatte ein perfekt aufeinander abgestimmtes Zusammenspiel und geschliffene Energetik zur Folge.

Insbesondere der erste Geiger Tilman Hussla faszinierte dabei immer wieder mit gefasstem Ausdruck und wohliger Präsenz, aber auch mit seinem (wahrhaft) körperlichen Spiel: Er war Antreiber, Anker, Arrangeur - auch bei Maurice Ravels Streichquartett. Standen in Beethovens Werk mitunter auch schroff-kantige Klippen zur Bewältigung an, fand man sich nun gleichsam weit draußen treibend auf dem offenen Meer. Umringt von bewegter Gischt, die der Franzose mit pastellfarbenen Pinseln aufs Notenpapier bannte. Auch hier: Die Motivassoziationen durchdrang das Orbis-Quartett in charismatischer Beflissenheit und mit geistreicher Gestaltungskraft.

Deutlich wurde das auch in Ravels Finalsatz "Vif et agité". Und noch mehr: die unbändige Spielfreude der Musiker. Da trafen sich nicht nur einmal Augenpaare, strahlten sich an und kündeten von einer beinahe kindlichen Freude, über gerade bewältigte oder sich anbahnende Klangstafetten. Dabei vermittelte das Quartett eine virtuose Leichtfüßigkeit, die beeindruckte und den Blick der Musiker über das Notenblatt hinaus eindrücklich demonstrierte.

Dass die Berliner den Weg auf die Münsinger Bühne gefunden und die Gesellschaft der Musikfreunde einen erneuten Coup gelandet haben, haben sie Katharina Schlenker zu verdanken. Sie ließ ihre Kontakte spielen und fädelte nicht nur das Gastspiel ein, sondern setzte sich auch selbst an den Flügel. Sie reihte sich mit musikalischer Substanz während Antonin Dvóraks Klavierquintett nahtlos in das bisher Gehörte ein. An ihrem 29. Geburtstag war ihr und dem Orbis-Quartett damit der frenetische Beifall sicher. Die Zugabe der Berliner war gleichzeitig ihr Geburtstagsständchen: ein Medley aus Queen und den Beatles. Einfallsreich musiziert und gesungen war auch das ein Zungenschnalzer.


ALB-BOTE | Simon Wagner | 19.10.2015

Eigentlich sind wir bescheuert

Lehrer machen "Elternabend"-Kabarett in Münsingen
Foto: Sabine Graser-Kühnle

Kabarett in der Zehnscheuer Münsingen

"Elternabend": von Eltern und Lehrern gefürchtet. Das Kabarettduo Munz & Ruppenthal treibt den Schulwahnsinn auf die Spitze. Jetzt war es bei den Musikfreunden in der Münsinger Zehntscheuer zu Gast.

"Die Lehrer" Ulrich Munz und Martin Ruppenthal nennen in ihrem Programm "Elternabend" die Dinge beim Namen, beschönigen nichts. Dabei nehmen sie weder Rücksicht auf Überväter und gluckende Mütter, noch auf die Lehrerparanoia vor eben solchen Eltern und deren respektlosen Sprösslingen. Am Ende findet das Publikum nicht nur sämtliche Vorurteile über Lehrer, Eltern und Schüler bestätigt, sondern der Reigen kann um einige weitere ergänzt werden.

Mit theatralischer Überzeugungskraft parodieren Munz und Ruppenthal - beide sind haupt- oder nebenamtliche Lehrer - den Übereifer und die Verzweiflung ihrer Berufskollegen. Sie kotzen ab, etwa über das Schullandheim: "Freiwillig wochenweise eingezwercht mit diesen Wahnsinnigen - eigentlich sind wir bescheuert - ich kann gar nicht so viel essen, wie ich kotzen muss - uuuaaah."

Lehrer sind die "Janusköpfe der Moderne", singt das Duo und stellt den Lehrerberuf in neue Dimensionen: "Wir sind Strafarbeitverteiler und Kuchenverkaufsschichteinteiler, Diktatoren, Kopfhinhalter und Langeweiler."

In beißender Satire nehmen sie die Gemeinschaftsschule aufs Korn, die Schulform, welche aus "ihrem" Gymnasium hervorgegangen ist: "Es gibt keine Mauer mehr zwischen Gymnasiasten und dem Rest, es soll zusammenwachsen, was zusammen gehört." Sie selektieren ihre Schüler entsprechend der geistigen Überlegenheit der Eltern über ihre Kinder. Die Überglucke, Frau Becker-Schmälzle-Diener-Haag wird dazu ebenso aus dem Publikum gefischt, wie Herr Boller, der als Rechtsanwalt den schulischen Ungerechtigkeiten gegenüber dem Sprössling auf dem Klageweg begegnet. Immer wieder müssen diese beiden fiktiven Realfiguren herhalten, ebenso oft wird das ganze Publikum einbezogen.

So im "psychologischen Eignungstest", wenn alle "Eltern" im gut gefüllten Saal mantraartig rufen: "Ich bin die Fernbedienung mit dem roten Knopf." Wie im wahren Leben gestaltet sich auch in diesem Elternabend die Suche nach dem Elternvertreter als kompliziert - es muss das "Druckmittel Schweigen" angewandt werden.

Slapstick, Stand-Up-Comedy und Musik - kaum ein kabarettistisches Stilmittel lassen die beiden aus, und so erlebt das Publikum - die Eltern - einen "Elternabend", der ebenso authentisch ist, wie er den täglichen Schulwahnsinn auf die Spitze treibt und das in einem erbarmungslosen, permanenten Angriff auf die Lachmuskeln.

Musikalisch begleitet das Duo der Studienrat der Musikhochschule Trossingen, Andreas Reif, am Klavier, versiert und mit viel Mitgefühl für die jeweilige Stimmungslage seiner jammernden, schwadronierenden und lästernden Berufskollegen.


ALB-BOTE | Sabine Graser-Kühnle | 29.09.2015

Elternabend mal anders

Kabarett – Lustige Lehrer live in Münsingen

Elternabend. Ein Wort, das Lehrer wie Eltern reizt. Ist man indes nur Besucher eines Kabarettabends, lässt sich über die an diesen oft zweifelhaften Veranstaltungen gesammelte Erfahrung herzlich lachen. Und dazu brachten die Kabarettisten »Die Lehrer« Ulrich Munz und Martin Ruppenthal in der Münsinger Zehntscheuer mit ihrem Programm »Elternabend« das Publikum. Letzterem übertrugen sie die Rolle der Eltern und führten sie durch den ersten Elternabend anlässlich der Eröffnung der neuen Gemeinschaftsschule (»Gemeinschaft gibt es, aber es hält sich keiner dran«), die zuvor ein Gymnasium war.

Sie beklagten die vielfältige Verhaltensoriginalität der Schülerschaft an der Gemeinschaftsschule: »Jetzt krieget mir au die, die mir früher am Gymnasium hend verhindra könna!«. Und karikierten mit dem Paragrafenreiter unter den Eltern, Herrn Boller (»zwei Kinder, zwei Klagen«), und mit Frau Becker-Schmälzle-Diener-Hagen, der überbesorgten Mutter des tyrannisch-sensiblen Thorben, das für Lehrer so aufreibende Verhalten vieler Eltern.

»Nie mit dem Rücken zu den Schülern an die Tafel schreiben«
 
Ruppenthal muss sich als hochmotivierter Lehrer Lauer allen pädagogischen Bemühungen zum Trotz von Thorbens Mutter belehren lassen: »Wie er es sagt, wird es gemacht!« Munz, Lehrer für Medien und Kommunikation, verweist indes sächselnd auf seine Fachkompetenz, die er sich »bei einer großen Datensammlungsbehörde, ich kenne mich aus« angeeignet habe. Für Elternfragen zu erreichen sei er »unter IM@Computerraum.de«.

Als Programmhöhepunkt entpuppte sich die Wahl des Elternvertreters, bei dem Ruppenthal und Munz die Bedeutung dieses Amtes für »das Gemeinschaftliche der Gemeinschaftsschule« anpreisen, dann aber mit der Teilnahmslosigkeit der Eltern konfrontiert werden: Auf eine Belafonte-Melodie singen diese »Ich guck’ freundlich und sage Nein«, begleitet am Klavier von Andreas Reif, der als Musiklehrer den Elternabend über die »weniger wichtigen« Nebenfachlehrer mimte und »immer nicht dran war.«

Und dann wäre da noch der Schulalltag mit störrischen Schülern (»Ich nehm’ den Kaugummi nicht raus, der hat noch voll viel Geschmack!«) und den Erfahrungen im Schullandheim (»Sie als Eltern haben Urlaub und wir sind eine Woche allein mit Ihren Wahnsinnigen. Ob es wohl pädagogisch sinnvoll ist, sechs Nächte nicht zu pennen?«).

In der Auseinandersetzung mit den Unterrichtsmethoden an der Gemeinschaftsschule (»Nie mit dem Rücken zu den Schülern an die Tafel schreiben, wegen der Wurfgeschosse«) oder im Geplänkel um das aufwendigere Fach zwischen Deutsch- und Mathelehrer: Den Künstlern gelang es, mal gesprochen, mal gesungen, eine Kette an Pointen mit hintersinnigem und heiterem Wortwitz aneinanderzureihen. Und so mancher im Publikum, sei er Elternteil oder Lehrer, dürfte einen Gutteil seines eigenen Verhaltens gespiegelt bekommen haben. (mkö)


Reutlinger General-Anzeiger | 28.09.2015

Ein Konzert mit Strahlkraft und Leidenschaft

Für das Projekt Brasil: "Tango-Transit" gibt ein beeindruckendes Konzert.
Foto: Heike Feuchter

Benefizkonzert für Schulprojekt BRASIL

Die Gesellschaft der Musikfreunde hatte mit dem Ensemble "Tango Transit" erstklassige Vollblutmusiker zu Gast.

Kraftvolle und mitreißende Töne schallten am Sonntagabend über den Schlosscaféplatz: Energetische Akkordeonriffs, ekstatische Drums, jammig schwingende Kontrabasssaiten verbanden sich mit viel Ausdruckskraft zur "jazz-world-tango"- Musik vom Ensemble "Tango Transit" und faszinierten mit Strahlkraft und Leidenschaft.

Drei außergewöhnliche Instrumentalisten und Komponisten arbeiten bei "Tango Transit" zusammen: Martin Wagner (Akkordeon), Hanns Höhn (Kontrabass) und Andreas Neubauer (Schlagzeug) sind Vollblutmusiker, in verschiedenen Projekten und als Dozenten tätig, haben mit "Tango Transit" seit 2008 mehr als 250 Konzerte im In- und Ausland gespielt und zwischenzeitlich vier Alben und eine Live-DVD veröffentlicht.

Das neuste Album "Akrobat" stellten sie am Sonntag vor und begeisterten mit ihren außergewöhnlichen Klängen und Arrangements. Zum rhythmischen Fundament des Schlagzeugs flogen die Finger der Musiker über Tasten und Saiten. Die Tempi- und Soundwechsel rissen ebenso mit, wie die zahlreichen solistischen Meisterleistungen, welche immer wieder Zwischenapplaus beim vielköpfigen Open-Air- Publikum hervorriefen.

Das Wort "Transit" im Ensemblenamen verrät es: Die Musiker gehen auch weg vom Tango, lassen sich von anderen Musikrichtungen inspirieren, verschmelzen diese höchst hörenswert und handwerklich erstklassig mit anderen Stilen. So kommen die Cajun-Elemente von New Orleans in "Fat Cat" ebenso zum Tragen wie orientalisch-geheimnisvolle Klänge in "Night in Egypt", Jazz, Blues und Tango verschlingen sich in programmatischen Titeln, wie "Early bird" oder "Schlaf", zu überraschenden Klangbildern . Hörgenuss auf höchstem Niveau gab es auch in der Bearbeitungen von Astor Piazollas "Libertango", - erstaunlich, diese vielfältigen Akkordeon-Klangkaskaden.

Die Spenden des Abends kommen dem Schulprojekt "Brasil" zugute, welches von Udo Schmid vorgestellt wurde. Seit Jahren unterstützt er zusammen mit seinem Freundeskreis Schulen im Hinterland von Brasilien, "Esperito Santo - Heiliges Land" heißt der landwirtschaftlich geprägte und bettelarme Landstrich. Ohne Unterstützung hätten die Kinder dieser Region nach vier Jahren staatlicher Grundschule keine Chance auf weitere Bildung: hier setzt das Schulprojekt "Brasil" an, hilft bei der Beschaffung von Materialien und Einrichtungen. Udo Schmid bedankte sich nicht nur bei den Besuchern für die Unterstützung, sondern auch bei der Gesellschaft der Musikfreunde und dem Samariterstift für die schon seit Jahren bestehende Kooperation.

ALB-BOTE | Heike Feuchter | 30.07.2015

Früher Vogel fängt den Jazz

Benefizkonzert – Tango Transit im Grafenecker Schlosshof

Das Konzert »Jazz World Tango« im Schlosshof zu Grafeneck, dargeboten auf Einladung der Gesellschaft der Musikfreunde Münsingen (GdM) vom Ensemble Tango Transit, geriet trotz zweifelhaften Wetters zum grandiosen Highlight für zahlreiche Fans von Jazzmusik, Sponsoren des Schulprojekts Brasilien, von Förderern der Inklusion und für Mitglieder der GdM.

Der Akkordeonist des Ensembles, Martin Wagner begrüßte sein Publikum und stellte dabei das Programm des Konzerts vor: Titel der jüngst erschienenen CD »Akrobat« sollte zu Gehör kommen, aber auch Titel anderer kreativer Musiker, die zu ihrem Stil passten. Dabei durfte Astor Piazzolla nicht fehlen. In einem Arrangement von dessen »Libertango« überzeugte Wagner mit unkonventionellen Klangkreationen auf dem Akkordeon, Andreas Neubauers Schlagzeug lieferte den prägnant harten Rhythmus und Hanns Höhn (Kontrabass) vervollständigte das Trio. Mit hinreißender Virtuosität lebt er geradezu körperlich die Tangofaszination Piazzollas.

Anschließend kam die titelgebende Komposition des Kontrabassisten Hanns Höhn zu Gehör: »Akrobat«, ein akrobatisch virtuoser »Trialog« mit schwungvoll melodischen Einwürfen. Das Feuer und die Heftigkeit des Tangos ist zwar Grundtenor dieser Instrumentalakrobatik, andererseits bedeutet der Zusatz »Transit« eine stilistische »Durchreise«, deren Ziel nicht bekannt ist.

Jazzige Einflüsse

So kamen mit Martin Wagners Komposition »Fat Cat« New-Orleans-jazzige Einflüsse ins rasante Spiel. In extremer Temposteigerung spielten sich die Musiker in akrobatische Ekstase und rissen ein begeistertes Publikum mit.

Tango, Tango, Tango! – Doch nicht der ganze Abend sollte ihm gewidmet sein. Mit einem Wiener Walzer »Vienna Apple« brachte das Ensemble einen neuen Aspekt ins Spiel.

»Early Bird« wurde launig eingeführt als Unmöglichkeit, morgens um vier einen Vogel zwitschern zu hören und das auch noch sofort in eine Komposition umzusetzen. Doch es gelang eindrucksvoll. Martin Wagner entlockte seinem Akkordeon, wie zuvor schon bei der klangfarbenprächtigen »Night in Egypt«, fantastisch lyrische Vogelflötentöne.

Der Abend hätte sich lange fortsetzen können. Begeisterte Fans des Ensembles, ein hingerissenes Publikum konnten nicht genug bekommen und hielten auch noch den beginnenden Regen aus. (elk)


Reutlinger General-Anzeiger | 28.07.2015

Von Pop bis Avantgarde

Konzert – Das Ensemble Spark in der Zehntscheuer

Bühnenpräsenz, Spontaneität, Biss einer Rockband, aber Feinsinn und Präzision eines klassischen Kammerensembles – das sind die Markenzeichen des Ensembles Spark.

Bekannt ist das Quintett mit Daniel Koschinski, Flöten/Gesang, Andrea Ritter, Flöten, Stefan Glaus, Violine, Victor Plumettanz, Cello, und Mischa Cheung, Klavier, durch seine Tourneen durch Europa und Asien. Nun wirbelten sie auf Einladung der Gesellschaft der Musikfreunde vor einem großen, begeisterten Publikum über die Bühne der Zehntscheuer.

Mit der Auswahl von sechs der »Lieder ohne Worte« von Felix Mendelssohn-Bartholdy, bearbeitet von dem türkischen Komponisten Kamran Ince, begannen die Musiker ihr Programm »Songs in Other Words«. Hinreißende Rhythmik, schrille Töne, romantisches Schwelgen – Mendelssohns Originale blieben durchaus erkennbar. Dadurch, dass einzelne Phrasen aufgebrochen und neu zusammengesetzt wurden, erlebte man aber eine neue, intensivere Sichtweise.

Traum- und Spottlieder

»Ich hab’ die Nacht geträumet«. Schlicht gestaltet Daniel Koschinski dieses alte Volkslied, Hoffmann von Fallersleben zugeschrieben. Vertonter Albtraum? Das feine Unisono zwischen Flöte und gedämpfter Geige (Daniel Koschinski und Stefan Glaus) spricht eine andere Sprache: die der romantischen Innigkeit.

»Ja, mein Schatz ist wunderschön«: Mit diesem Spottlied entführte das Ensemble sein Publikum nach Finnland. Auch hierzulande ist das Lied bekannt, doch nicht in dieser atemberaubend rasanten Flötenversion. Der Atem stockte dem Zuhörer dieser Parodie auf die weibliche »Schönheit«.

»Greensleeves«, der Renner, wenn es um »British Music« geht, gestaltet mit einer traumhaften Cello-Kantilene, sollte zur Pause überleiten. Besonders klar erkennbar war, wie das Ensemble mit alt-bekannten Melodien umgeht. Sie werden aufgebrochen, wie etwa Picasso und Braque ihre Porträts in der Bildenden Kunst aufgebrochen und in der Verschränkung unterschiedlicher Perspektiven wieder zusammengesetzt haben.

Bach und Chanson

Nach der Pause Bach, ganz fein: »Schafe können sicher weiden«. Und dann Volkslieder: »Der König von Thule«. Die Zeltersche Melodie ist durchaus erkennbar, doch virtuos gestaltet hört man das Rauschen des Meeres, das Sinken des Bechers, die Tragik: »Trank nie einen Becher mehr.« Und noch ein Volkslied: »Hoch auf dem gelben Wagen«, die Zuhörer waren gespannt, was Spark daraus machen würden. Man hörte ein Cello-Pizzicato der Melodie und ein rasantes Räderrollen in den Flöten.

Mit dem französischen Chanson »Je t’aime«, geschmeidig gesungen von Daniel Koschinski, begleitet am Klavier von Mischa Cheung und mit der Flöte von Andrea Ritter, konnte man sich an Reinhard May erinnern. »Zigeunermusik« folgte, schmissig, virtuos, jeder einzelne des Ensembles ein »Primas«. Die restlos begeisterten Zuhörer forderten am Ende Zugabe um Zugabe. (GEA)


Reutlinger General-Anzeiger | Elke Kaden | 25.06.2015

"Spark" bringt alles zum Klingen

Foto: Sabine Graser-Kühnle

Konzert bei den Musikfreunden Münsingen

Toll, "Spark - die klassische Band" hat in der Münsinger Zehntscheuer alle Erwartungen übertroffen. Markant und kühn wurde klassische Musik neu ge- und performt - und das mit virtuoser Brillanz.

„Songs in other words“ lautet das Programm von Andrea Ritter (Blockflöte), Daniel Koschitzki (Blockflöte, Melodika und Gesang), Cellist Victor Plumettaz, Pianist Mischa Cheung und Geiger Stefan Glaus. Allesamt preisgekrönt und auf internationalen Bühnen tätig. Sie bringen eine stattliche Anzahl Instrumente auf die Bühne und zum Klingen: 22 Blockflöten, zwei Geigen, eine Melodika, Cello und Klavier. Nicht nur dieses Instrumentenspektrum, sondern auch die eigenwillige Kleidung, eigentlich eine Kostümierung, weist auf eine außergewöhnliche Band hin. Zusammen sind sie „Spark“, zu deutsch „der Funke“, und der springt unaufhaltsam über, schon beim ersten Titel ihrer Bühnenshow. Denn „Spark“ spielt nicht nur auf moderne Weise mit klassischer Musik, sondern die Band verbiegt sie: Minimalisiert, bürstet gegen den Strich, schafft schillernde Klangfarben jenseits eines gewohnten Hörspektrums, spielt mit Laut und Leise, mit Tempo und Rhythmus, dass es eine wahre Lust ist.

Dazu inszeniert „Spark“ seine Musik, nutzt die ganze Bühne zu Standortwechseln, um jedes Instrument in Szene zu setzen, um dessen Part, die Passage, besonders wirkungsvoll hervorzuheben. Das Ergebnis: Eine faszinierende Lebendigkeit und ein Spannungsbogen in jedem Werk, der einem nicht selten den Atem raubt. Dass dies alles zudem in raffiniertesten Spieltechniken und mit brillant virtuosem Spiel auf die Bühne gebracht wird, verschafft das absolute Konzerterlebnis. Moderne Komponisten, aber auch Bandmitglied Daniel Koschitzki, haben Passagen aus der Klassik in eigene Arrangements eingefügt. Daher taucht manches Bekannte in den Darbietungen auf, und doch ist alles neu, was das Publikum geboten bekommt.

So gerät Mendelssohn im Motto gebenden „Songs in other words“ zu einem Seelentanz, wo die tonreiche Chromatik der Romantik hier lyrisch verspielt erscheint, dann eine spannende, sich reibende Atonalität erhält. Schließlich, versetzt mit folkloristischen Elementen, mündet das Werk in den wilden Tanz vielleicht eines Hirten im zerklüfteten Taurusgebirge. Die berühmte Stecknadel hätte man fallen hören können, so gebannt lauschten die Zuhörer in der gut besetzten Zehntscheuer.Wie großartig die fünf Musiker mit Gefühlen Spannung erzeugen, beweisen die Vertonungen alter Volkslieder. Da packt Daniel Koschitzki die Todesahnung im einfach gestrickten Strophenlied „Ich hab die Nacht geträumet“ in hämmernde Basstremoli und aus dem Dunkel aufsteigende Kadenzen, und mit lyrisch-leisen Passagen wie Rosenblätter zart, verklingt es. In einem Koschitzki Arrangement von „Greensleeves“ verstecken sich Sequenzen von Robert Vaughn Williams Fantasia über das englische Volkslied sowie eine Passage aus der Violinensonate „La Folia“ des Barockkomponisten Arcangelo Corelli. Diese, wegen ihres rasanten Tempos und ausgeklügelter Tonfolgen als schwierig bekannt, performen Andrea Ritter und Daniel Koschitzki mit Piccoloflöten, mehr als heiß temperiert – Bravorufe waren der Lohn.

Wie sehr die fünf Musiker, insbesondere aber Daniel Koschitzki, Musik verinnerlichen, beweist einmal mehr die Adaption einer bretonischen Volksmelodie und des deutschen „Hoch auf dem Gelben Wagen“. Wellness pur bietet die ruhige ineinander verschlungene Melodie des bretonischen Liedes. So verklärend geflötet, als sei die Flöte kein Instrument, das man durch Lufteinfuhr zum Klingen bringt, sondern als sei sie die Fortsetzung des Mundes und die Töne entstammen einem innigen Gefühl, das sich seinen Weg aus tiefster Seele bahnt. Dann „Hoch auf dem gelben Wagen“: Mit unendlich weiten Legatobögen vorbei an goldenen, sich im sanften Wind wiegenden Ähren, dann, mit pochenden Klavierakkorden und harten, kurzen Cellostrichen, rumpelt der Wagen über holprig steinige Wege. Kaum wagt man zu atmen – und erst nach einer kurzen Pause, um die Fassung wieder zu gewinnen, bricht jubelnder Beifall aus. Mit seinem frenetischen Applaus erklatscht sich das Publikum zwei Zugaben.


ALB-BOTE | Sabine Graser-Kühnle | 22.06.2015

Ein aus der Stille anschwellender Klangfluss

Konzert bei den Musikfreunden Münsingen

Von Sehnsüchten und der Jagd nach Dämonen: Mit bildreicher und buchstäblich traumhafter Vokalkunst begeisterte das Bolongaro-Sextett auf der Alb.

Legt sich der Tag zur Ruhe, tut es ihm der menschliche Geist gleich. Fernab des Alltags eröffnen sich dabei mitunter fantastische Welten voller Ahnungen und Sehnsüchte. Der Moment, in dem sich der Traum anschickt, sich über den Verstand zu erheben, war stets ein Quell künstlerischen Schaffens.

Am Sonntag in der Zehntscheuer war der Zustand zwischen Wachen und Schlafen der programmatische Rahmen für das Frankfurter Vokalsextett Bolongaro. Ganz und gar ausgeschlafen, hing es musikalischen Traumwelten nach und entführte rund 40 Zuhörer dorthin.

Der Entführung schuldig gemacht haben sich, unter Beihilfe der Münsinger Musikfreunde, namentlich Sabina Vogel und Stephanie Muhl (beide Sopran) Eva Wachter (Alt), Steffen Schwendner und Gabriel Heun (beide Tenor) sowie Jakob Zscheischler (Bass). Das Frankfurter Sextett stellte beim Gastspiel auf der Alb unter Beweis, warum es unverändert zum Besten zählt, was die deutsche Vokalszene zu bieten hat. Vom Start weg zeigte die A-cappella-Gruppe, wozu die menschliche Stimme fähig ist, so sie denn Teil eines perfekt abgestimmten Gesamtbilds ist. In "Sleep" (2000) zeichnet der US-Komponist Eric Whitacre jenen Dämmerzustand als einen aus der Stille anschwellenden Klangfluss. Das Ensemble glänzte mit glasklarer Artikulation und geschliffener Homogenität über die Lagen hinweg.

Das Sextett faszinierte auch in der Folge mit einem reichhaltigen Klangspektrum. Die hellen Stimmlagen schälten sich gemeinsam oder einzeln ein ums andere Mal aus dem sonoren Bassfundament, kunstvoll umschlangen und überkreuzten sich die Stimmen, nur um am Ende wieder in gleißender Harmonie zu versinken. Es wurde gepfiffen und geflüstert, aber auch gestampft und gekreischt. Denn, wie das eben mit Traumwelten so ist, sie können verlockend sein, aber auch düster, drohend und dämonisch. So feingliedrig und bisweilen lustvoll tänzelnd sich das Sextett zuvor den süßen Nachtschattengewächsen widmete, so wuchtig und mit expressiver Kraft durchzogen waren dann die von Hugo Distler schroff und kantig niedergelegten Bildnisse vom "Feuerreiter".

Auch hier gelang es, bestechende Gesangskunst mit erzählerischer Intensität zu paaren. Dramatik, Atemlosigkeit, Furcht: Die nächtliche Gefahr war gleichsam mit Händen zu greifen. Umso mehr, als die Sänger die Aspekte des Themas auch erklärend vertieften. Steffen Schwendner erntete mit seinem schauspielhaften Vortrag über den traurigen Mönchsgeist zu Recht Szenenapplaus. Jene Einsprengsel verwandelten den Konzertabend in eine bildhafte Collage aus Text und Musik und versetzten die Zuhörer in die Lage, dem sinnenschweren Ritt durch die Nacht zu folgen: vorbei an Shakespeares Hexenküche, verfolgt von unheimlichen Kreaturen und beseelt durch die nimmer endende Suche nach der Angebeteten.

Das Bolongaro-Sextett hinterließ dabei einen formidablen Gesamteindruck. Klangschön, ausdrucksstark in ruhigen wie in turbulenten Passagen, dynamisch im feinsten Pianissimo wie in Momenten strotzender Kraft, entfaltete sich eine geradezu symphonische Fülle. Und das in einer Reinheit, die den hell und klar prangenden Sternen in Helmut Barbes Abendlied "Der Mond ist aufgegangen" in rein gar nichts nachstand.


ALB-BOTE | Simon Wagner | 13.05.2015

Klanggewitter und fragile Augenblicke

Shelly Ezra (rechts) mit Atanassov Trio in Münsingen
Foto: Simon Wagner

Konzert bei den Musikfreunden Münsingen

Eine Erstaufführung in Münsingen an einem besonderen Tag: Die Klarinettistin Shelly Ezra und das Pariser Klaviertrio Atanassov gaben ein bewegendes Konzert - mit Messiaens "Quartett für das Ende der Zeit".

Es mag Zufall gewesen sein, dass der Konzertkalender der Musikfreunde-Gesellschaft (GdM) ausgerechnet am vergangenen Sonntag ein Konzert mit den international renommierten Musikern des Atanassov-Trios und mit der nicht minder gefragten Klarinettistin Shelly Ezra vereinbart hatte.

Ob Zufall oder nicht: Am jenem Sonntag gedachte man der Befreiung der Konzentrationslager in Sachsenhausen und Ravensbrück vor 70 Jahren. Wenn also just an diesem Tag mit Shelly Ezra eine aus Israel gebürtige Musikerin auf einer deutschen Bühne Olivier Messiaens "Quartett für das Ende der Zeit" aufführt, dann darf man schon allein deswegen von einem bewegenden Moment sprechen: Olivier Messiaen komponierte das achtteilige Werk, als er selbst Insasse eines deutschen Kriegsgefangenenlagers war. Im "Stalag" bei Görlitz wurde es in der Nacht des 15. Januars 1941 uraufgeführt.

Shelly Ezra gestand den rund 70 Zuhörern in der Münsinger Zehntscheuer denn auch, jenes Werk sei für sie nicht nur eine mentale und physische, sondern auch eine emotionale Herausforderung. Man glaubte ihr jedes Wort. Und erst recht, als sie anhob, zusammen mit dem Trio Atanassov, den tonmalerischen Bilderbogen zu interpretieren, den Messiaen einst in Noten gesetzt hat. Hatte man sich erst einmal auf die mit Brüchen und Dissonanzen gespickten Passagen eingelassen, gingen sie dorthin, wo sie hingehören: unter die Haut.

Musikalische Bilder voller Todesangst und Ohnmacht tauchten ebenso auf, wie solche, die feierlichen Trost oder sich aufbäumenden Furor vermittelten. In ihrer Gesamtheit verliehen sie dem apokalyptisch angelegten Werk eine Intensität, die tief bewegte. Flankiert von immer neuen Crescendi und Decrescendi, von herabstürzenden Klanggewittern oder von buchstäblich atemberaubend ausgehauchten Schlussakkorden, entstand eine Plastizität, die beinahe mit Händen zu greifen war.

Vor allem Ezras wandlungsfähige Klarinette trat mit samtweich klagenden, flehenden oder gar spitz schreienden Akzenten in Erscheinung. Doch immer wieder sorgten Perceval Gilles an der Violine, Sarah Sultan am Violoncello und Pierre-Kaloyann Atanassov am Klavier ebenfalls für musikalische Glanzpunkte.

Sie schufen bereits zu Beginn des Konzert einen bewundernswerten Einstieg. In bestechender Homogenität zeigte das Pariser Trio in beeindruckender Weise, warum es mit Preisen geradezu überhäuft wird. Ungeheuer kompakt, leichtfüßig und wach gab es sich bei Johann Haydns Klaviertrio etwa stürmischer Impulsivität hin. In Johannes Brahms Gegenstück mit Klarinette, bereitete es - so im Andantino grazioso - den federnden Grund für illustre Plaudereien über die Instrumentengruppen hinweg.

Quartett für das Ende der Zeit

Im Zentrum stand gleichwohl Messiaens Komposition. Ihr näherten sich die Musiker in aller nur denkbaren Sensibilität und Selbstreflexion, sie schufen damit Momente zerbrechlicher Empfindsamkeit, aber auch Augenblicke, die dem lauernden Tod zu trotzen schienen. Eine emotionale Achterbahnfahrt, die schon wegen eines Vortrags, der bis in die kleinsten Verästelung makellos und atmend war, mitzureißen wusste. Geschlossene Augen vor und auf der Bühne gaben ein beredtes Zeugnis davon ab.

Kaum verwunderlich also, dass sich das Publikum erst einen Moment lang fangen musste, bevor es minutenlang Beifall spendete. Kaum verwunderlich aber auch, dass die Musiker auf eine Zugabe verzichteten. Es war an jenem besonderen Nachmittag bereits alles gesagt.


ALB-BOTE | Simon Wagner | 21.04.2015

Tiefgründig und emotional

Konzert – Trio Atanassov in der Zehntscheuer

Mit Joseph Haydns Klaviertrio A-Dur Hob. XV: 18 begann am Sonntag das Trio Atanassov sein Programm in der Münsinger Zehntscheuer. Perseval Gilles an der Violine, Sarah Sultan am Violoncello und Pierre-Kaloyann Atanassov am Flügel zogen mit ihrer Präsenz das Publikum sofort in ihren Bann. Im ersten Satz, Allegro moderato, bestachen die Musiker mit der makellosen Ausgestaltung des zierlich-galanten Themas. Ein fein ausgewogenes Andante folgte. Im Kontrast dazu schlossen sie frisch mit dem rasanten Finale.

Für die Aufführung des Brahms-Trios a-Moll für Klarinette, Violoncello und Klavier op. 114 tauschte Shelly Ezra mit Perseval Gilles das Notenpult. Zuvor gratulierte sie dem Trio zum soeben erst gewonnenen Preis beim Wettbewerb »Schubert und die Moderne«.

Die gebürtige Israelin erzählte, dass Brahms eigentlich gar nichts mehr für Klarinette komponieren wollte, dann jedoch so begeistert war von der Ausdrucksfähigkeit des Klarinettisten Mühlfeld, dass er doch wieder zur Feder griff. »Meine Primadonna« soll Brahms die Klarinette genannt haben.

Heiterer Brahms

In dem Brahms-Stück erlebte man ein feinsinniges Spiel von Leichtigkeit bei gleichzeitiger (lächelnd verhüllter) Dichte des Ausdrucks. Am deutlichsten wird diese Art dort, wo mit dem Klarinettenklang gespielt wird, etwa im langsamen Satz mit seinem Zwiegesang zwischen Cello und Klarinette. Dabei gelingt es Shelly Ezra, die tiefen Lagen ihres Instrumentes überaus beredt und stimmungszeugend zu gestalten.

Das Andantino grazioso erscheint als ein zierlich gesticheltes Menuett mit Rokoko-Elementen in den duftigen Achtelfiguren des Trios. Primadonna Klarinette? Ezras Instrument weist die positiven Seiten der Primadonna auf. Sie brilliert nicht, um sich selbst zu feiern, vielmehr lebt sie ihren Part im Zusammenspiel.

Nach der Pause erklang das zentrale Stück des Abends: »Quatuor pour la fin du temps«, zu deutsch »Quartett für das Ende der Zeit«, geschrieben von Olivier Messiaen im Jahre 1941 als Insasse des im Görlitzer Stadtteil Moys gelegenen deutschen Kriegsgefangenenlagers Stalag VIII-A. Die ungewöhnliche Instrumentierung ergab sich aus den im Lager verfügbaren Musikern.

Dem Werk liegt ein Programm zugrunde, das von der Offenbarung des Johannes inspiriert ist. Im ersten Satz »Liturgie de cristal« macht das Flageolett der Cellistin das Bassinstrument zur auffallendsten Klangfarbe. Kristalle entstehen in der Vorstellung des Hörers, fein, spitz. Ein fantastisches Unisono von Geige und Cello über zart getupften Klavierakkorden schließt sich an. »Der Engel verkündet das Ende der Zeit.«

Tragisches Messiaen-Werk

Im Klarinettensolo »Der Abgrund der Vögel« verströmt die Solistin all ihr meditatives Melos und gestaltet überzeugend die Spannung der Vögel zwischen Jubilieren und abgründiger Traurigkeit.

Die für das Publikum erholsam empfundene Spielfreude des Ensembles beim »Intermède« mündet eindrucksvoll in »Louange à l’éternité de Jésus« (»Lobpreis der Ewigkeit Jesu«). Ein gefesseltes Publikum, das fast nicht zu atmen wagt, verfolgt die bis zur Schmerzgrenze vorgetragene Cellokantilene. Im »Dance de la fureur, pour les sept trompettes« (»Tanz des Zorns für die sieben Posaunen«) wüten alle vier Musiker unisono und scharf akzentuiert. Beim Satz »Louange à l’immortalité de Jésus« (»Lobpreis der Unsterblichkeit Jesu«) übernimmt der Geiger den Solopart dicht und überzeugend im Duo mit dem Pianisten.

Es fiel schwer, die tiefgründige Gestaltungskraft des hochsensiblen Ensembles einfach nur zu »beklatschen«. Umso herzlicher fiel der Applaus nach einer kurzen Besinnungspause aus. (GEA)


Reutlinger General-Anzeiger | Elke Kaden | 21.04.2015

Moll-Wolken verdüstern den Dur-Himmel

Mit einem Programm voll Wiener Klassik und feuriger Rhythmik bestritt das Amalien-Quartett das After-Work-Konzert in der Zehntscheuer.

Der Entschluss der "Gesellschaft der Musikfreunde", Konzertabende nicht nur am Wochenende, sondern auch an anderen Tagen zu veranstalten und damit diesen Werktagen einen krönenden Abschluss zu verleihen hat ein überaus starkes Echo gefunden, stand bereits zum zweiten Male ein Kammermusikabend auf dem Programm. Und er war recht gut besucht trotz der ganztägigen Berichterstattung über die tragischen Ereignisse in den französischen Alpen.

Neben den vier Künstlerinnen des 2011 gegründeten Amalien-Quartetts wirkte der Konzertgitarrist Friedemann Wuttke mit. Das am Beginn des Abends stehende Streichquartett d-Moll von Wolfgang Amadeus Mozart war im Juni 1783 entstanden, als Mozarts erstes Kind geboren wurde (das aber bald darauf verstarb). Seine Frau Constanze erzählte nach seinem Tod, Mozart habe sogar die Schreie ihrer Geburtswehen in die Komposition mit aufgenommen.

Das Quartett und seine Moll-Tonart erscheinen in weiten Teilen dunkel, ja fast finster, was man auch als Ausdruck einer gewissen Tragik oder gar Depression auffassen könnte. Aber den Gebrauch von Molltonarten kann man nicht immer mit düsteren Zukunftsvisionen etikettieren. Dennoch stellt es ein ergreifendes Zeugnis des oft verkannten Pessimisten Mozart dar, der den dunklen Mächten menschlichen Lebens nicht entrinnen konnte. Übrigens hat Mozart dieses Quartett zusammen mit fünf weiteren seinem Freund Joseph Haydn geschenkt. In der ehrfürchtigen Widmung schrieb er, dieses sei "die Frucht einer langen und mühsamen Arbeit". Einer solchen haben sich auch die vier Musikerinnen unterzogen, denen es hervorragend gelungen ist, das Wesen dieser Komposition herüberzubringen mit feinem, ja feinstem Strich auf den Instrumenten und mit zarten Piani selbst bei den Trillern.

Im 3. Satz (Menuett und Trio) erhebt sich über den Pizzicati der übrigen drei Streicher eine von der ersten Violine vorgetragene Melodie, bei der man meinen könnte, sie spiele zum Tanz jener Rokoko-Porzellanfiguren auf, die auch heute noch Mozarts Musik auf Hüllen von Schallplatten und CDs symbolisieren sollen. Der 4. Satz, eine Siciliana mit den punktierten Rhythmen und ihren Variationen, wurde tänzerisch, feinfühlig und manchmal fast verträumt gespielt.

Beim folgenden Konzert für Gitarre und Streichquartett von Joseph Haydn bestach Friedemann Wuttke mit seiner virtuosen Fingerfertigkeit. Durch das Hinzunehmen der Gitarre ergab sich eine ganz besondere Farbigkeit der musikalischen Darbietung. Äußerst dezent antworteten die Streicher im Dialog mit der Gitarre den von dieser vorgebrachten Fragen, sodass ein reizendes musikalisches Zwie- beziehungsweise Mehrgespräch entstand. Da geschah es, dass am Dur-Himmel Moll-Wolken das Firmament verdüsterten, dann gab es wieder eitel Sonnenschein und der Schelm Haydn ließ immer wieder etwas Humoriges aufleuchten.

In zwei Kompositionen für Gitarre-Solo von Isaak Albeniz und Enrique Granados ließ Friedemann Wuttke feurige spanische Folklore erstrahlen. Als letzten Programmpunkt spielten die Musiker ein Quintett von Luigi Boccherini, das sich zeitweise wie Musik für großes Orchester anhörte. Besonders bemerkenswert das fast baritonal "gesungene", aber meisterlich dargebotene Cello-Spiel von Hanna Gieron auf der A-Saite. Für den langanhaltenden Beifall bedankten sich die Musiker mit dem Largo aus Vivaldis Konzert für Gitarre und Orchester.


ALB-BOTE | Manfred Frischknecht | 28.03.2015

Neue Wege beschreiten

Katharina Schlenker (links) und Marleen Mauch in der Zehntscheuer.
Foto: Simon Wagner

Es war eine Premiere bei den Münsinger Musikfreunden (GdM): Die luden erstmals werktags zu einem "After-Work-Konzert" in die Zehntscheuer.

Donnerstagabend, 19.30 Uhr. Die einen stehen im gewohnten Feierabendstau oder erledigen noch schnell ihre Noteinkäufe im Supermarkt. Wieder andere sitzen beim Vesper und lassen den Tag Revue passieren - den Blick fest auf die weiche Couch gerichtet. Auf den Ort, der Entspannung und Zerstreuung verheißt.

Ein klassisches Konzert? Gar ein Liederabend? Jetzt? Zugegeben, der Termin für ein klassisches Konzert, abseits des Sonntags, mag ungewöhnlich erscheinen. Ganz neu ist die Idee eines "After-Work-Konzerts" indes nicht. Landauf, landab kommen Liebhaber auch an Werktagen zusammen, um den Tag mit klassischen Klängen zu beschließen. Rund 40 Gäste konnten sich am Donnerstagabend in der Münsinger Zehntscheuer für diese Idee erwärmen. Ein Idee, die der GdM-Vorsitzende Peter Schlenker als "Experiment" bezeichnet.

Damit will er neue Wege beschreiten und neue Hörer locken. Ein Vorhaben, das bei der Premiere des Werktagkonzerts nur zum Teil aufgegangen ist. Beim Blick auf die teils leer gebliebenen Stuhlreihen sagt Schlenker aber: "Ich hätte nicht unbedingt mehr erwartet."

Die Pianistin Katharina Schlenker bot gemeinsam mit der aus Hannover stammenden Sopranistin Marleen Mauch ein durchaus anspruchsvolles Feierabendprogramm. Das Liedduo, seit 2012 auch in internationalen Gefilden unterwegs, nahm sich dabei den schillernden Frauenbildern an, die durch die Jahrhunderte hinweg Lyriker und Musiker zugleich zu ihren Taten inspirierten.

Ob es Vertonungen Mozarts waren, von Schubert, Brahms oder Schumann: Sie waren für die Künstlerinnen Vorlagen, um intensive, klingende Bilder leidender, sehnsüchtiger, verführerischer, selbstbewusster Frauen zu entwerfen.

Gleichsam als musikalischer Spiegel für jene Facetten diente Marleen Mauch. In ihrer Mimik, in ihrem Gestus, vor allem aber in ihrem durchweg authentisch und auf den Punkt kaprizierten Sopran spiegelte sich bewegte Emotionalität. Schuberts "Lieder der Mignon", Vertonungen von Goethes "Wilhelm Meisters Lehrjahre", waren da nur das erste von vielen weiteren Ausrufezeichen. Licht, klar und gesegnet mit einem bewundernswerten Dynamikumfang, von leise und feingliedrig säuselnd bis geradezu burschikos und energisch aufstampfend, glich ihr Gesang stimmlicher Schauspielkunst auf hohem, lyrischen Niveau.

Sie trug nicht nur vor, sie durchdrang. All dies wäre ihr aber wohl nicht so gut geraten, hätte sie mit der Münsingerin Katharina Schlenker nicht eine Pianistin neben sich, die es mit atmenden Spiel vermochte, jene Regungen und Wendungen aufzufangen, zu reflektieren oder gar erst anzustoßen. Da haben sich wahrlich kongeniale Interpretinnen zwei gefunden.

Wie unter einem Brennglas stellten sie all das, mitsamt ihrer Wandlungsfähigkeit, während ihrer Zugabe unter Beweis: Mit dem Lied vom "Surabaya Johnny" von Kurt Weill/Bertolt Brecht und seinen frühmodernen Anklängen brach allmählich wieder die reale Welt in die Zehntscheuer ein. Von der hatten sich die Zuhörer vorher verabschiedet. Vom Alltag, von Kassenbändern oder langen Staus. Weltenflucht also im besten Sinne. Und das an einem Donnerstag.


ALB-BOTE | Simon Wagner | 03.03.2015

Stimme trifft Tastenkunst

Konzert – Liederabend in der Zehntscheuer

Der große Pianist Alfred Cortot beantwortete die Frage nach seiner legendären Bühnenpräsenz mit den Worten: »Ein Meisterwerk kann man auf zwei Arten auffassen: als festes Gebilde oder als Abenteuer.« Unweigerlich kam einem dieser Ausspruch in den Sinn, als Sopranistin Marleen Mauch und Pianistin Katharina Schlenker gemeinsam Schumanns Zyklus »Frauenliebe und -leben« Op. 42 nach Gedichten von Adalbert von Chamisso für ihr Publikum in der Zehntscheuer erlebbar machten.

Das Duo, auf Einladung der Gesellschaft der Musikfreunde zu Gast, eröffnete diesen Frauengestalten und der Liebe gewidmeten Liederabend mit den beiden Mozartliedern »Das Veilchen« und »Der Zauberer«. Sogleich wurde das Publikum in Bann gezogen von der klaren, auch in der Höhe mühelos geführten Sopranstimme und ebenso von der kontrastreichen Gestaltung der Pianistin.

Schuberts »Mignon«-Lieder

Franz Schuberts »Mignon«-Lieder folgten, eine schwere Kost, wenn man die Figur aus Goethes Wilhelm Meister zu verstehen sucht. Schubert soll sich zehn Jahre lang mit der Seelensituation dieses rätselhaften Mädchens auseinandergesetzt haben. Bereits mit dem steigernden Aufbau des ersten Liedes »Kennst du das Land« pflanzte das Duo diese irrationale Sehnsucht. Die Dichte, mit der die Sängerin melodische Linie gestaltete, überzeugte, ebenso wie ihr dramatischer Ausbruch bei »Es schwindelt mir, es brennt mein Eingeweide«.

Die Romantiker Hugo Wolf und Johannes Brahms dürfen in einem Kunstliederabend nicht fehlen. Mit Wolfs »Tretet ein, hoher Krieger« zeigte das Duo humorvoll, virtuos und auch ein wenig ironisch, wie Weiblichkeit im Kontrast zu »marschsturer« Männlichkeit, von der Pianistin exzellent dargestellt, verführerisch sein kann.

Der Höhepunkt war aber nach der Pause der Schumann-Zyklus »Frauenliebe und -leben« – gleichzeitig die Bestätigung, dass die Gesellschaft der Musikfreunde Münsingen Katharina Schlenker zum erst neulich erhaltenen Sonderpreis für herausragende Liedbegleitung beim 21. Internationalen Brahms-Wettbewerb 2014 im österreichischen Pörtschach gratulieren konnte.

Von Schönberg zu Weill

Voller Leidenschaft, quasi wie in Aufgipfelung des bisher Gehörten, wendet sich das Duo schließlich neueren Kompositionen zu. Arnold Schönbergs »Mädchenlied« sowie dessen »Ghasel« kommen zu Gehör. Dabei eröffnet sich ein weiteres Highlight der Interpretationskunst des Ensembles: unabhängiges Gestalten der beiden Parts, die dann doch zu einem vollkommenen Ganzen verschmelzen. Die Sopranistin bewältigt dabei mühelos extreme Tonsprünge, der Pianistin gelingt es ausgezeichnet, den Liebesakt der »Flammenspur« darzustellen. Das Publikum ist begeistert.

Als Zugabe kam, wer hätte das gedacht: »Surabaya Johnny«, der Song aus Brecht/Weills Stück »Happy End«, lasziv in Szene gesetzt von Marleen Mauch, launig begleitet von Katharina Schlenker. Ein gelungener Abend – neu in der Reihe der Gesellschaft der Musikfreunde Münsingen als »After-Work-Konzert« an einem Wochentag. (GEA)


Reutlinger General-Anzeiger | Elke Kaden | 28.02.2015

Forelle in Bestform

Konzert – Fabian Wettstein und Freunde in Münsingen

Erfolgreiches Auswärtsspiel für den Konzertmeister der Württembergischen Philharmonie Reutlingen (WPR): Fabian Wett stein und Freunde waren zum Saisonauftakt der Konzertreihe der Gesellschaft der Musikfreunde zu Gast in der Münsinger Zehntscheuer. Großer Kammermusik in kleiner Besetzung widmete sich Wettstein (Violine) mit seinen Philharmonie-Kollegen Mariette Leeners (Viola) und Christoph Bieber (Violincello) im ersten Teil des Konzertabends: Sein Es-Dur-Divertimento ist Mozarts längste kammermusikalische Komposition.

Ein »Vergnügen« soll es, wie der Gattungsname verspricht, sein. Und das istes auch. Die unterhaltsame Leichtigkeit der an den Tanz angelehnten Sätze bringt das WPR-Trio in aller Frische auf den Punkt. Und degradiert das Stück dabei weder zum oberflächlichen Geplätscher noch geheimnist es zu viel in diese angenehm zu konsumierende Musik nein. Zurückhaltend schlank, liegt der Akzent der Klanggestaltung darauf, die ausgeklügelten Strukturen der Dreistim-migkeit transparent zu machen: Die Streicher werfen sich die Motive locker wie Spielbälle zu, fangen sie gekonnt auf und lassen harmonische und dynamische Raffinessen überraschend und schlaglichtartig aufblitzen.

Wasserspiele mit Kontrabass

Unbestrittener Höhepunkt des Abends ist dennoch das, was nach der Pause folgt: Schuberts Forellenquintett in der heute eher ungewöhnlichen Besetzung für Violine, Viola, Cello, Kontrabass und Klavier. Nanae Wettstein (Kontrabass) und Yasuko Mesquita-Hirano (Klavier) bereicherten das Trio nicht nur um ein Plus an Klangfarbe, sondern auch mit ihrer bemerkenswerten Spielfreude.

Wie schön, dass Schubert, als er sein berühmtes Lied für eine instrumentale Besetzung bearbeitete, an den Kontrabass dachte. Und welche Bereicherung, dass ihn in Münsingen Nanae Wettstein streicht, zupft und zur geheimen treibenden Kraft des Stücks macht - ein Perpetuum mobile, das die Bewegungen und Figuren der Melodieinstrumente mit Impulsen anstößt und im Fluss hält. Ein Strom, in dem die »launische Forelle« mit Lust zwischen Dur und Moll hin und her schießt, zappelt, springt und sich träge im sonnenwarmen Wasser treiben lässt.

Wettstein und seine Freunde zeichnen sich allerdings auch dadurch aus, ihre Aufmerksamkeit nicht nur auf das Forellen-Thema und seine Variationen, sondern auch auf die übrigen Sätze zu richten. Vital und pulsierend die Eröffnung mit dem Allegro, mit sattem Sound ausgebreitet die bange Unruhe im Andante, spritzige, eruptive Überraschungsmomente und viel Drive im Scherzo. Eine mustergültige, ausgereifte Interpretation, für die das Ensemble in Münsingen zu Recht mit lang anhaltendem Applaus gefeiert wurde. (ma)

Wie schön, dass Schubert, als er sein berühmtes Lied für eine instrumentale Besetzung bearbeitete, an den Kontrabass dachte. Und welche Bereicherung, dass ihn in Münsingen Nanae Wettstein streicht, zupft und zur geheimen treibenden Kraft des Stücks macht - ein Perpetuum mobile, das die Bewegungen und Figuren der Melodieinstrumente mit Impulsen anstößt und im Fluss hält. Ein Strom, in dem die »launische Forelle« mit Lust zwischen Dur und Moll hin und her schießt, zappelt, springt und sich träge im sonnenwarmen Wasser treiben lässt.

Wettstein und seine Freunde zeichnen sich allerdings auch dadurch aus, ihre Aufmerksamkeit nicht nur auf das Forellen-Thema und seine Variationen, sondern auch auf die übrigen Sätze zu richten. Vital und pulsierend die Eröffnung mit dem Allegro, mit sattem Sound ausgebreitet die bange Unruhe im Andante, spritzige, eruptive Überraschungsmomente und viel Drive im Scherzo. Eine mustergültige, ausgereifte Interpretation, für die das Ensemble in Münsingen zu Recht mit lang anhaltendem Applaus gefeiert wurde. (ma).

Wie schön, dass Schubert, als er sein berühmtes Lied für eine instrumentale Besetzung bearbeitete, an den Kontrabass dachte. Und welche Bereicherung, dass ihn in Münsingen Nanae Wettstein streicht, zupft und zur geheimen treibenden Kraft des Stücks macht - ein Perpetuum mobile, das die Bewegungen und Figuren der Melodieinstrumente mit Impulsen anstößt und im Fluss hält. Ein Strom, in dem die »launische Forelle« mit Lust zwischen Dur und Moll hin und her schießt, zappelt, springt und sich träge im sonnenwarmen Wasser treiben lässt.

Wettstein und seine Freunde zeichnen sich allerdings auch dadurch aus, ihre Aufmerksamkeit nicht nur auf das Forellen-Thema und seine Variationen, sondern auch auf die übrigen Sätze zu richten. Vital und pulsierend die Eröffnung mit dem Allegro, mit sattem Sound ausgebreitet die bange Unruhe im Andante, spritzige, eruptive Überraschungsmomente und viel Drive im Scherzo. Eine mustergültige, ausgereifte Interpretation, für die das Ensemble in Münsingen zu Recht mit lang anhaltendem Applaus gefeiert wurde. (ma).


Reutlinger General-Anzeiger | 10.02.2015

Klangerlebnis vom Feinsten

Fabian Wettstein von der Württembergischen Philharmonie Reutlingen sorgte mit seinen Freunden für einen überzeugenden Start der neuen Konzertsaison der Gesellschaft der Musikfreunde Münsingen
Foto: Sabine Zeller-Rauscher

Gesellschaft der Musikfreunde startete mit Reutlingens Konzertmeister Fabian Wettstein

Mit einem Konzert der Extraklasse startete die Gesellschaft der Musikfreunde Münsingen in der Zehntscheuer ins Konzertjahr 2015. Fabian Wettstein von der Württembergischen Philharmonie Reutlingen musizierte.

Augen zu und genießen. Beim Auftaktkonzert 2015 war das zum einen erlaubt und zum anderen überhaupt kein Problem. Denn WPR-Konzertmeister Fabian Wettstein stellte bereits beim ersten Stück des Abends, bei Divertimento Es-Dur KV 563 von Wolfgang Amadeus Mozart unter Beweis, dass er nicht nur an seiner Violine ein gutes Händchen hat, sondern auch bei der Auswahl seiner Freunde: Das Streichertrio Fabian Wettstein an der Violine, Mariette Leners an der Viola und Christoph Bieber am Vioncello boten absoluten Hörgenuss für die verwöhnten Ohren der Kammerkonzert-Besucher.
Selbst unter eingefleischten Kammermusikfans gilt das Divertimento für Streichtrio oft noch als Geheimtipp und hat den Ruf, dass es höllisch schwer zu spielen ist. Sicherlich mit recht. Doch Fabian Wettstein meisterte das Stück mit seinen Freunden so wie man es von ihm erwartet hat. In sehr guter Qualität, wobei es dem Trio gelang, den Großteil der Zuhörer mitzunehmen auf eine musikalische Reise, bei welcher den Besuchern die Möglichkeit geboten wurde, alles Übrige in der Welt, für den Moment des Genießens auszublenden und einfach nur noch „ganz Ohr“ zu sein. Auch wenn die saalfüllenden Klänge bestimmend waren, lohnte sich ein Blick auf das Ensemble allemal.

Leidenschaft, Konzentration, Vertrauen und Können verschmolzen mit dem Klangbild zu einem Gesamtbild, welches jegliche Hektik vom Alltag vergessen ließ. Wie auch im zweiten Teil des Abends wo Nanae Wettstein am Kontrabass und Yasuko Mesquita-Hirano am Flügel das bisherige Trio zum Quintett formatierten.

Divertimento gilt unter Kennern als Geheimtipp

Unterhaltsam und heiter gelang es den fünf Musikern das Quintett A-Dur D 667 von Franz Schubert, besser bekannt, als „Forellenquintett“ zu Gehör zu bringen. Kein bisschen verstaubt klang das von Schubert im Jahr 1819 komponierte Stück. Noch älter waren zum Teil die Instrumente, mit welchen das Quintett die Werke gekonnt zu Gehör brachte.

Fabian Wettstein spielte eine Geige, welche im Jahr 1583 in Cremona von Antonius & Hieronymus gebaut wurde. „Herrlich das Klangbild, das selbst in den ganz hohen Tönen noch warm klingt“, so eine begeisterte Zuhörerin. Die Handschriften der teils großen Lehrmeister (wir haben berichtet), unter welchen sich die Künstler zu dem entfalteten, was sie heute sind, war für Kenner der Szene unverkennbar.

Weit auseinanderliegende Tonarten (F, fis und D) führten zu überraschend krassen Modulationen in den Überleitungen und brachten einzelne Instrumente, wie Viola besonders interessant zur Geltung. Ohne Zweifel, nicht nur die Künstler, sondern auch die Macher der Gesellschaft der Musikfreunde Münsingen, unter der Leitung von Peter Schlenker, haben ein gutes Händchen bewiesen.

Perfekt der Auftakt des 43. Münsinger Konzertzyklus, anspruchsvoll das Folgeprogramm, welches am 28. Februar in der Zehntscheuer mit Marleen Mauch und Katharina Schlenker mit Werken von Schubert bis Schönberg fortgeführt wird. Friedemann Wuttke und das Amalien-Quartett treten dann am 26. März in der Zehntscheuer auf.


ALB-BOTE | Sabine Zeller-Rauscher | 09.02.2015

Musik vermittelt zwischen Kulturen

Bewegendes Neujahrskonzert der Gesellschaft der Musikfreunde: In der Zehntscheuer in Münsingen war "Asamblea Mediterranea" zu Gast.
Foto: Sabine Graser-Kühnle

Bewegendes Neujahrskonzert der Gesellschaft der Musikfreunde

Musik der Musik wegen, ursprünglich, unprätentiös und dabei facettenreich schillernd erlebte das Zehntscheuer-Publikum beim Neujahrskonzert mit dem "Asamblea Mediterranea" in Münsingen.

"Märchenhafte Lebensfreuden - sehnsuchtsvolle Wehmut" war das Programm des Neujahrskonzert des Ensembles "Mediterranea" überschrieben. Genau diese große Bandbreite an Gefühlen, verpackt in virtuose Musik, bekamen die Zuhörer in der nicht ganz ausverkauften Zehntscheuer kredenzt.

Intensiv und gehaltvoll servierte ein Trio des Ensembles dem Publikum etwa "Rosinen mit Mandeln": Ensemble-Chef und Gitarrist Alon Wallach sowie Andreas Pastorek an der Percussion und Bassist Hans Chris Dreßen ließen ihre Zuhörer den Atem anhalten und nur noch das Prasseln des Regens war zu hören, als ihre Musik in sanften Klangwellen im Raum schwebte. Kunstfertig verwoben im Kanon zu dritt mit Klarinette, Violine und Flöte kam ein weiteres Instrumentalwerk daher. Der Klarinettist Andreas Geyer entlockte seinem Instrument in technischer Raffinesse trockene, abgehackte Dumpflaute, eingepackt in eine leidenschaftliche Melodie und lieferte sich mit dem Percussionisten einen wilden Zweikampf. Die ersten von vielen Bravorufen hallten durch den Saal ob dieser virtuosen Leistung.

Und die Zuhörer erlebten noch weit mehr Überraschungen an diesem Abend: Die Flötistin Melanie Bogisch entstaubte mit flirrendem Spiel das Vorurteil, Blockflöten sind reine Anfängerinstrumente und die Sängerinnen Gabriele Anna Lesch sowie Ines Amanovic überzeugten mit faszinierender Stimmbeherrschung. So blieben in der orientalischen Färbung vieler der Vorträge, mit dem typischen raschen Wechsel von Kopf- und Bruststimme, selbst die höchsten und leisesten Töne kristallklar.

Doch ebenso intensiv kamen die altspanischen Balladen und jiddischen Lieder rüber. Im feinst aufeinander abgestimmten Zwiegesang formten sich die Harmonien, kamen die Stimmen zusammen, klangen wie eine. Der Gesang verschmolz mit der Instrumentalmusik. So in "En la mar", wo die Musik zu einem Klangerlebnis wurde: der ruhige Gesang und die vorwärtsdrängende Instrumentalmusik legen sich trotz dieses Kontrastes wie zarte Streicheleinheiten auf die Zuhörer.

Das "Asemblea Mediterranea" versteht sich als Toleranzvermittler zwischen den Kulturen. "Mit unserer Musik wollen wir die Angst vor Fremden bekämpfen, das fordert von uns allerdings, dass wir immer wieder neue Kulturen, deren Sprache und Musik kennenlernen", erklärte Alon Wallach, der Arrangeur aller Lieder des Ensembles. Dabei geht es den Musikern insbesondere um die Musik jüdischer Völker, vor allem der Aschkenasim, der heute größten Judengruppe in Mittel- und Osteuropa, die sich hauptsächlich im Mittelmeerraum niedergelassen hat. Klezmermusik in jiddischer Sprache, aber auch traditionelle Weisen in dem altspanischen jüdischen Dialekt "Ladino"" bringt "Asamblea Mediterranea" zu Gehör. Viele Kultureinflüsse birgt diese Musik, was das Ensemble in einer Art "musikalischer Collagen" verarbeitet, so Wallach.

Mit "Los Caminos" zeigten die Musiker, was sie tun: Ein Lied, das in der Türkei und Spanien gesungen wird. Beide Versionen wurden vorgestellt, als dritte dann die Collage von Alon Wallach: In einen neuen, rhythmischen Wirbelwind hinein legte sich die Melodie beider Lieder, immer noch deutlich erkennbar. Als die Zuhörer gar in dem von Joan Baez weltberühmt gewordenen "Donna Donna" mitsingen durften, gab es kein Halten mehr. Bravorufe, immer wieder Jubel und prasselnder Beifall am Ende - das Ensemble dankte dem Publikum mit einer Zugabe.


ALB-BOTE | Sabine Graser-Kühnle | 05.01.2015

Musikalischer Brückenschlag

Konzert – Asamblea Mediterranea in Münsingen

 In der bis zum letzten Platz besetzten Münsinger Zehntscheuer erwartete ein gespanntes Publikum, sich, laut Programmansage, in »märchenhafte Lebensfreuden« versetzen zu lassen und »sehnsuchtsvolle Wehmut« zu spüren. Wodurch? Durch die sagenhaft virtuos intime Gestaltung des musikalischen Brückenschlags zwischen den Kulturen der Sepharden und der Aschkenasen.

Sepharden – so bezeichnen sich Juden, die ursprünglich aus Spanien, Portugal, Nordafrika oder dem Nahen Osten stammen, während Aschkenasen aus Frankreich, Deutschland, den Niederlanden und Osteuropa kommen.

Bei jüdischer Musik assoziiert man sofort Klezmer und hat die Vielfalt der folkloristischen Einflüsse nicht bedacht. Doch gleich zu Beginn, als sich das Oktett über der improvisierenden Gitarre aufbaute, erkannte man im schluchzenden Solo der Klarinette (Andreas Geyer), in der feinen Tongestaltung der Blockflöte (Melanie Bogisch), in der Rhythmik der Kastagnetten (Andreas Pastorek) Anklänge an die vertraute Klezmer-Musik.

Sensible Virtuosität
Dann bereicherten die Sängerinnen Gabriele Anna Lesch und Ines Amanovic das Ensemble, erklärten die ladinischen Texte ihrer Lieder und entführten ihr Publikum geschmeidig fein, im Timbre passend zu Klarinette und Geige in sehnsuchts-wehmutsvolle folkloristische Gestimmtheit.

Und als der Leiter des Ensembles und Arrangeur der Stücke, der Gitarrist Alon Wallach, sein Publikum auch noch aufforderte, den Refrain »Dona, dona« mitzusingen, war der Brückenschlag der Kulturen erreicht.

Nicht bei jedem Stück war das Oktett vereint – immer wieder begeisterten einzelne Musiker mit ihrer sensiblen Virtuosität: Die Sängerin Ines Amanovic, begleitet von Andreas Pastorek, Percussion, mit »Dos Amandes«, der Klarinettist Andreas Geyer mit mehreren umwerfend virtuosen Soli, die Flötistin Melanie Bogisch, fantasievoll rhythmisch begleitet von dem exotisch anmutenden Schlagwerk Andreas Pistoreks, mit rasanten Kapriolen. Nicht zuletzt war es immer wieder Alon Wallach, der mit seinen launigen Ansagen den Zusammenhang herstellte.

Exotisches Schlagwerk

Zum »Brückenschlag der Kulturen« hat sich das Ensemble verpflichtet. Was Besseres hätte man sich wünschen können für ein Neujahrskonzert in diesen unsicheren Zeiten? Wenn die Brücke allein schon in der musikalischen Auseinandersetzung mit Fremdem – neuen Kulturen, neuen Sprachen, neuen Tönen – gelingt, ist ein großer Schritt ins neue Jahr getan. Das begeisterte Publikum konnte gar nicht genug kriegen und forderte Zugaben mit frenetischem Applaus ein.

Andreas Pastorek, Virtuose seines exotischen Schlagwerks, hatte bis dahin ein besonderes Instrument dem Publikum vorenthalten, seine aus Afrika stammende »Shekere«. Mit ihr setzte er dem Abend die Krone auf. (elk)


Reutlinger General-Anzeiger | 05.01.2015